Prognose

Die Endergebnis (outcome) der Perthes-Erkrankung hängt vom Ausmaß der Deformierung des Hüftkopfes nach Abschluss des Wachstums ab, also von der Sphärizität (Kugelform im Gegensatz zur zwischenzeitlichen Eiform) und Kongruenz bzw. Inkongruenz zwischen Kopf und Pfanne. Letzteres haben Stulberg et al. (1981) zu einer Klassifikation genutzt, wobei insbesondere die Klasse V (asphärische Inkongruenz) mit dem Risiko eines frühen Verschleißleidens (Coxarthrose, osteoarthritis) belastet ist. Dies kann bedeuten, daß bereits unter 40 Jahren die Versorgung mit einer Hüftendoprothese erforderlich wird (Traina 2011). Die Zeitdauer von der Diagnose bis zur Endoprothese wird deshalb als hartes Kriterium zur Ergebnisbewertung (reliable outcome measure) diskutiert.

Klasse I: Ein vollkommen normales Hüftgelenk
Klasse II: Ein sphärischer Hüftkopf, aber folgende allgemeine Gelenkveränderungen:
(1) Hüftkopfvergrößerung (Coxa magna)
(2) kurzer Schenkelhals (Coxa brevis)
und/oder (3) steilstehende Hüftpfanne
Klasse III: Ein asphärischer Hüftkopf (eiförmig, pilzförmig oder schirmförmig – aber nicht abgeplattet). Zusätzlich allgemeine Gelenkveränderungen wie bei Klasse II.
Klasse IV: Ein abgeplatteter Hüftkopf und stärkere allgemeine Gelenkveränderungen
Klasse V: Ein abgeplatteter Hüftkopf bei fast normaler Schenkelhalslänge und annähernd normaler Pfanne

Die Stulberg-Klassifikation (1981) hat sich in der Praxis bewährt. In der Literatur gibt es Kritiker und Befürworter (Neyt 1999, Wiig 2007). Die Zuordnung zu Klasse II oder III kann schwierig sein. Die Zuordnung zu Klasse I, “ a completely normal hip joint“, erfolgt wahrscheinlich zu häufig. Nach langer Nachbeobachtung (bei Stulberg Follow-up von 30 – 40 Jahren) gibt es praktisch keinen Röntgenaspekt wie auf der gesunden Gegenseite. Der mehrjährige Krankheitsverlauf hinterläßt Knorpelschäden, die sich spät manifestieren (aktuell dazu: Jones et al., 2021). Das Dilemma drückt sich bei Stulberg nicht zuletzt dadurch aus, dass die Beispiel-Abbildung einer Klasse I-Hüfte, Fig. 5 A, keinen vollkommenen Normalbefund zeigt, sondern „an essentially normal hipwith no sign of arthritis … of a completely asymptomatic 64-year-old man“.  Es liegt ein pathologisches „sagging rope sign“ vor, wenngleich in leichter Ausprägung.

Zum Verständnis der Arbeit von Stulberg ist wichtig, dass alle Patienten konservativ behandelt wurden. Initial mit Bettruhe, bis die Frühsymptome abgeklungen waren, und anschließend mit Entlastung: 28 Patienten aus Iowa mit beidseitigem Becken-Bein-Gips, 27 Pat. aus Toronto mit einer Hülsenorthese mit Sitzbeinabstützung („long Taylor walking caliper“) und 88 bzw. 68 (Gruppe II) aus Stockholm mit Gehstützen und einer hohen Korksohle auf der normalen Seite. Es ist inzwischen bewiesen, dass mit Orthesen oder Gehstützen keine vollkommene Entlastung des betroffenen Hüftgelenkes erreicht wird, nicht zuletzt wegen des Auftretens von Muskelreaktionskräften (Bergmann, 2007). Wir wissen heute außerdem, dass bei großen Fallzahlen die konservative Behandlung einer operativen Therapie („containment surgery“ – Joseph et al., 2003) unterlegen ist.

Wichtig für die Prognose ist das Alter beim Auftreten der ersten Symptome. Unter 5 – 6 Jahren kann der M. Perthes milde verlaufen. Der Versuch einer konservativen Behandlung mit Hüftschonung (Minderung der körperlichen Aktivität und Entlastung/ Kontaktbelastung) ist gerechtfertigt. Umgekehrt verläuft die Erkrankung mit 6 – 11 Jahren, oder gar darüber, schwerer.

Die Vorstellung einer vorgegebenen Prognose – in der Literatur reichlich besprochen – ist wahrscheinlich nicht richtig. Aber es gibt Risikofaktoren für einen schlechten Verlauf:

  • Frühe Veränderungen in der Bildgebung im Sinne von Extrusion im Röntgen, einer Kopfvergrößerung über 10 % in der MRT und Zunahme des lateralen Knorpel-Abstands (Lateral Cartilage Distance, LCD) im Ultraschall
  • Starker Bewegungsdrang und schlechte Compliance für Entlastung (unloading)

Ganz pauschal gilt leider, daß die Behandlungsergebnisse von konservativen (entlastenden) Behandlungsmaßnahmen eher schlecht sind (Larson et al., 2012).

Den positiven Effekt einer frühen –  geradezu prophylaktischen – operativen Containment-Therapie mittels Oberschenkel-Varisierung belegen jüngste Veröffentlichungen (s. u. Allgemeines und Bildgebung).